Kaum ist der Schnee da, drehen alle Kinder durch. Und erst die Eltern! Leute, was ist da bloß los: Showdown im Schnee? Wenn der Stadtpark zur großen Après-Ski-Mutter-Kind-Party wird, lässt sich das wunderbar beobachten. Ich habe genau hingesehen. Und festgestellt: Hier lungern Typen rum, die sich blitzschnell in Schubladen stecken lassen. Eine nicht ganz ernst gemeinte Pisten-Typologie.
Die Ultras:
Sie sind daran zu erkennen, dass sie perfekt ausgestattet sind: Mama, Papa und die Kinder sind von Kopf bis Fuß in Ski-Anzüge gepackt, inklusive protziger Skibrillen. Die Eltern haben Glühwein in Thermoskannen dabei und warmen Kakao für die Kinder. Außerdem restliche Weihnachtskekse, wenn der kleine Hunger kommt. Und warme Nudelsuppe im Camping-Thermobecher, wenn der große Hunger kommt. Sie fahren mit dem Auto (inklusive Schneeketten!) vor, laden Schneeschieber aus, um sich erstmal ein fettes Iglu zu errichten. Und dann bauen sie davor ihren Fuhrpark mit Kinder-Snowboard, Davos-Schlitten und Plastik-Rodel-Woks aus. Es ist alles so perfekt inszeniert, dass ich am liebsten verschämt nach Hause flüchten möchte.
Die Schnorrer:
Sie haben ihren Kindern nicht mal Handschuhe angezogen. Haben weder einen Eimer noch einen Schlitten dabei. Also reißen sie alles an sich, was zwischen Schneemann und Schlitten so im Schnee liegt. Sie schnappen sich fremde Schaufeln, Mützen, frisch gesammelte Stöcker, die eigentlich als Schneemann-Arme ein neues Leben führen sollten, Keksdosen – und stecken es nachher auch gern mal ein… Gern greifen die Kinder der Schnorrer auch zu, wenn ich eine Obstdose aus dem Rucksack zaubere. Und die Mütter betteln, ob sie nicht auch mal kurz den Handwärmer für Annas rot gefrorene Frostfingerchen bekommen könnten. Immerhin habe sie dieser winterliche Ausflug ja eiskalt erwischt und überrumpelt. Is’ klar.
Die ewig Junggebliebenen:
Sie haben das Kind sowieso nur als Alibi, um im Sommer die auf deutschen Spielplätzen übliche Altersbeschränkung „bis 12“ ignorieren zu können. Und im Winter eben auf den kleinstädtischen Skipisten das aufzuholen, was sie in ihrer Kindheit nicht wild genug ausgelebt haben. Scheißegal, ob Lucy-Odile nun die Piste runterrodeln will oder nicht: Mama will! Die ewig Junggebliebenen zerren ihre kreischend protestierenden Kinder auf Rennschlitten. Sie johlen und grölen überschwenglich gestikulierend und turbulent lenkend den Hang hinunter. „Und, war’s jetzt so schlimm?“, fragen sie dann die Kinder. Und klopfen sich nach dem obligatorischen Schlitten-Unfall am Fuße des Berges wie ein verschämter Teenie den Schnee vom kalten Jeansarsch, um gleich wieder mit Schlitten nach oben zu sprinten.
Die Nachwuchs-Narzissten:
An ihrem makellos gebauten Schneemann lehnt ein großer Spiegel, daneben steht ein Stativ und im winterlichen Weiß auf dem Boden liegt bäuchlings keine Eisbärenkuh, sondern…. nanu, das ist ja eine Mutter?! Nicht wundern, die macht gerade 378 Knallerfotos aus der Froschperspektive. Schließlich muss für die Welt ja festgehalten werden, dass Leonhard gerade zum allerersten Mal einen Schneeball auf Brittany-Sofie geworfen hat. Nachwuchs-Narzissten verraten sich auch dadurch, dass sie sogar während der Schlittenfahrt ihr Smartphone in der Handschuh-Hand halten: um einen Selfie-Film von der Abfahrt zu drehen. Wenn sie nicht gleich die Go-Pro-Cam an den Kufen installiert haben. Oder die familieneigene Drohne zwischen den weißen Baumwipfeln manövriert wird. Nicht, dass Mami und Papi diesen einzigartigen Moment verpassen! Obwohl: Sie sind ja live dabei…
Die Oma-Eltern:
Sie sind eindeutig zu identifizieren. Nicht, weil sie uralt wären. Meist sind sie so alt wie alle anderen Eltern im Park. Aber sie benehmen sich, als wären sie aus der Steinzeit. Sie sind hypervorsichtig und leiden an einer Überdosis fanatischen Hypochondertums. Schnee ohne Handschuhe anfassen? Um Himmels Willen, da sind doch Keime drin. Rodeln? Halt Dich aber gut fest, Schatz! Immer schön mit den Füßen bremsen! Und nicht von ganz oben fahren, Paulchen, das ist zu gefährlich! Schlittschuhfahren? Nicht wieder so schnell, Mathilda! Schneeballschlacht? Aber nie ins Gesicht werfen, das kann böse ins Auge gehen! Der Jargon von Oma-Eltern besteht zu 96 Prozent aus den Vokabeln „gefährlich“, „Achtung“, „nein“, „nicht“ und „Vorsicht“! Bei anderen Eltern sind sie mit ihren Verboten schnell untendurch. Bei ihren eigenen Kindern übrigens auch.
Und ich?
Ich schieße pro Schneeausflug mindestens 149 Fotos, löffele zwischendurch mit Nora warmes Mittagessen aus unserem Camping-Thermobecher, rufe ständig „Obacht!“, frage andere Kinder, ob wir ihr Schneespielzeug ausprobieren dürfen, und zerre meine Tochter wieder und wieder auf unseren Schlitten, damit ich auch meinen Spaß habe.
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