„Na los, Nora“, sage ich zu meiner Tochter, die sich Sandalen anzieht. „Es ist höchste Eisenbahn!“ Nora hüpft auf und ab. „Auuuu jaaaa, das ist cool“, ruft sie. „Ich wusste nicht, dass wir mit dem Zug fahren, Mama! Mit dem ICE? Oder Regio?“ Auweia, weder noch. Sie versteht nur Bahnhof. Kommunikation mit Redewendungen und Vierjährigen ist wie ein Barfuß-Spaziergang durchs dunkle Kinderzimmer: voller Überraschungen. Da habe ich lieber den Floh im Ohr als den Hund auf dem Dach…
Wie erkläre ich ihr nur die „höchste Eisenbahn“?! „Nein. Das mit der Eisenbahn sagt man so, wenn es ganz schnell gehen soll. Wir sind spät dran. Also komm jetzt bitte in die Puschen!“ – „Hä? Puschen? Ich dachte, ich soll Sandalen anziehen…?!“ Nora sieht mich fragend an. „Mama, ich kann doch im ICE keine Puschen anziehen! Außerdem ist ja Sommer…“, beginnt sie ihre energische Protestrede. Wie komme ich aus der Nummer nur wieder raus? „Natürlich hast du Recht, Sandalen sind besser! Und wir fahren mit dem Auto. Das ging wohl nach hinten los.“ Und schon wieder beiße ich mir auf die Zunge. Denn nun blickt sie mich empört an: „Nach hinten? Ich dachte, ich darf heute im Auto ausnahmsweise vorne sitzen! Bittebittebitte!“ Sie bringt mich noch auf die Palme!
Wenig später sitzen wir am Strandspielplatz – und gönnen uns ein Eis, weil wir offenbar vor lauter Missverständnissen und Diskussionen unser Spielplatzdate verpasst haben. Der sprichwörtliche Zug ist also abgefahren. Ich sage: „Tja, das ist wohl in die Hose gegangen!“ – „Nee, Mama, ich habe gar nicht gekleckert!“, wundert sich meine Tochter, um mir kurz darauf zu erklären, dass sie trotzdem gern noch ein Eis hätte. „Kommt gar nicht in die Tüte“, antworte ich und kenne – während ich das ausspreche – schon ihre Antwort. „Tüte? Aber man isst doch kein Eis in einer Tüte! In der Waffel möchte ich eins.“ Und ich sage lieber nichts vom Griff ins Klo oder dass sie mal schön die Kirche im Dorf lassen soll und sie sich solche Gedanken gleich aus dem Kopf schlagen kann. Wer hat ihr denn auch bitte diesen Floh ins Ohr gesetzt? Es ist aber auch zum Mäusemelken…
Am Abend rufe ich meine Freundin an. „Sag mal, kennst Du das auch?“, frage ich und erzähle ihr von unseren skurrilen Gesprächen, die sich anfühlen, als wären wir in einem nicht enden wollenden Loriot-Sketch gefangen. Meine Freundin lacht. Und lacht. „Na, bei euch steppt wohl kommunikativ der Bär“, sagt sie. Und freut sich, dass ihre Tochter Emma sie in solchen Fällen nur fragt: „Mama, was soll das bedeuten? Und warum sagt man das so?“ Ganz gelassen und analytisch. Während Nora und ich mit unseren quirligen Aneinander-Vorbei-Gesprächen der Comedyserie „Zwei taube DJanes“ täglich neues Futter liefern. Für Phraseologen sind wir das ideale Forschungs-Duo, das veranschaulicht, welche Fallstricke bildliche Ausdrücke liefern. Da wird der Hund in der Pfanne verrückt.
„Wie soll das nur weitergehen mit unserer Kommunikation?“, sage ich. Meine Freundin vermutet, dass wir uns noch häufiger verbal auf die Füße treten und Knüppel zwischen die Beine werfen werden, ehe Gras über die Sache wächst. „Haha, sehr witzig…“, sage ich und erinnere mich an so manch andere Hürde unserer Mutter-Kind-Gespräche. Und frage mich, wie viele Jahre ich nun brauchen werde, um der Vierjährigen die ganze Bandbreite deutscher Sprichwörter und Redensarten beizubringen. Bis dahin spricht Nora bestimmt schon Jugendsprache, wird sich jedes Wochenende abschädeln und ihre Ellies für Gammelfleisch halten, die besser ihren Pflasterporsche schieben sollten. Und dann werde ich es sein, die auf dem Schlauch steht. Und Tomaten auf den Augen hat.
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