Mama
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Im Dunkeln ist gut schunkeln

Nachts sind nur Motten putzmunter und Schnecken im Salatbeet. Nachts, weiß ich, seit es Nora gibt, machen Babys Krach: Im Dunkeln ist gut schunkeln.

Nachts, dachte ich immer, sind nur Motten putzmunter und Schnecken schuften im Salatbeet – ansonsten schläft die ganze Welt. Nachts, weiß ich, seit es Nora gibt, machen auch Babys gern Krach. Und zwar so richtig. Nachts, da fühlen sich nämlich zwei Minuten Quengeln im Kinderzimmer schon wie eine Viertelstunde an. Und nach fünf Minuten Hardcore-Gebrüll liegen zumindest meine Nerven so blank da wie die Geissens auf ihrer Mittelmeeryacht.

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Es gibt in meinem Leben also seit etwas mehr als einem Jahr diese Nächte, die zum Glück eher selten sind und ja soooo überflüssig. Diese Nächte wie vorgestern. Da hatte ich bis halb fünf Uhr gerade mal zwei Stunden geschlafen. Und das kratzt schon fast an meinem Negativrekord! Da ist plötzlich Blaulichtalarm am Babyphon: Nora ist hellwach und schreit und nölt. Hatte sie einen Albtraum? Kommt ein Zahn? Ist es wieder dieser Wachstumsschmerz? Vielleicht ist die Windel übergeschwappt? Der Schnupfen ärgert sie? Womöglich sogar Fieber? Oder hat sie sich nur wieder aus dem Schlafanzug gestrampelt? Gründe kann es dafür ja immer viele geben. Und meist weiß ich bis zum nächsten Morgen auch gar nicht, was nun eigentlich los war. Aber während ich so durchs dunkle Zimmer schleiche, denke ich darüber nach. Denn in diesen Stunden, die zum Schlafen leider nicht gemacht sind, kann man viel nachdenken. Sehr viel sogar. Im Dunkeln ist gut schunkeln…

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Ich staune dann immer wieder, welche Geduld und Ausdauer ich entwickelt habe. Eine halbe Stunde Händchenhalten zum Einschlafen in schwierigen Zeiten – das mache ich mit links. Ewig beruhigende Melodien summen, obwohl Summen zehnmal anstrengender als Quatschen ist – meine leichteste Übung. Das inzwischen schwere Kind schunkeln, bis es nicht mehr schreien kann – pillepalle. Ich habe gelernt, dass einem im Hocken sogar die Füße einschlafen können (sehr unangenehm!). Und dass man rote Beulen an der Stirn kriegt, wenn man seinen müden Kopf zu lange ans Kinderbettgitter anlehnt.

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Im Dunkeln ist gut schunkeln

Egal, wie oft mir die Augen im Schummerlicht zufallen, amüsiere ich mich doch jedes Mal wieder über mein Talent für Pantomime, das ich bei diesen Beruhigungsaktionen perfektionieren konnte. Stummfilmstars sind nichts dagegen! Denn wenn Nora endlich eingeschlafen ist, schleiche ich mit ausladenden Gesten über den Teppich. Beiße mir erschrocken auf die Unterlippe, wenn ich dann auf ein Astloch in den Dielen trete, dass das Holz laut seufzt unter meinem frierenden Fuß. In Zeitlupe öffne und schließe ich die quietschende Türklinke. Und gerade, wenn ich draußen vor ihrer Tür stehe, geht das Geschrei wieder los. Das alles sind natürlich Dinge, auf die ich gern verzichten würde. Aber sie machen meine nächtlichen Tragikomödien auch immer zu einem wenigstens etwas amüsanten Schauspielkurs.

Und es gibt Belohnungen: Letzte Woche habe ich vom Kinderzimmer aus zum Beispiel eine riesige Sternschnuppe gesehen: wow! Oder ich bin allein schon dank der Spieluhr in so meditativer Benommenheit, dass selbst dieser Zustand erholsam ist. Nur Schlafen ist schöner. Und das regelmäßige Happy-end: Ein kleiner warmer Kopf lehnt sich an meine Schulter, ein erschöpfter Babyarm krallt sich nicht mehr ganz so fest an meinem Pulli fest. Im Dunkeln ist gut schunkeln. Die Müdigkeit, sie hat gesiegt. Ein Moment, der um fünf Uhr das allerschönste auf der Welt sein kann. Bis Nora um kurz nach halb sieben zum Frühstück ruft. Morgens, weiß ich inzwischen, sind nur Babys in ausgelassener Partylaune. Keine Motten. Keine Schnecken. Und schon gar keine Mütter.

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