Ärztin oder Anwältin – oder doch lieber Lehrerin? Mütter wünschen sich die vernünftigsten und lukrativsten Jobs für ihre Töchter. Ich brauche gar nicht lange zu überlegen, was mein Kind werden soll: Königin Fußball! Nora wird nämlich mal Fußballkommentatorin. Weil sie das will. Und weil sie das kann – und wie!
Liebe Fernseh-Sportredaktionen,
liebes Sky-Bundesligateam,
liebes ARD-Sportschau-Team,
liebes Aktuelle Sportstudio,
an einem Tag, an dem ein legendärer Kommentator wie der Fußballpapst… ähm, wie heißt er noch: Marcel Reif-Ranicki (?!) seinen Abpfiff feiert, wird es dringend Zeit, sich über den Nachwuchs Gedanken zu machen. Ich habe eine äußerst vielversprechende Idee, die sowohl Ihre Sendungen für die Zukunft bestens aufstellt, als auch ein völlig neues, jüngeres Publikum erschließt. Und ich möchte ehrlich zu Ihnen sein: Die meisten Sportreporter, die halb-enthusiastisch aus den Bundesliga-Stadien ihre Floskeln in deutsche Wohnzimmer aufsagen, erreichen die Zielgruppe der 0- bis 5-jährigen Zuschauer wohl kaum. Zu viel Fachsimpeln. Zu viel Analyse. Zu viel Altherren-Charme. Kurzum: das Abseits des herkömmlichen Sportjournalismus.
Ich habe ein grandioses Geschäftsmodell: Richten Sie zusätzlich zum Original-Stadionton und zum Kommentatorenchannel einen Tonkanal ein, der die Live-Kommentare eines Kleinkindes enthält. Ich denke dabei keineswegs an neunmalkluge Kindernachrichten mit Bildungsanspruch. Ich denke an humorvolle, auf den Punkt gebrachte Unterhaltung für Kinder. Für Eltern. Für Großeltern. Wer braucht schon abgelesene Expertenanalysen, wenn er spontane und unverfälschte Kindercomedy zum Spiel hören kann?
Wie solch eine journalistische Neuausrichtung aussehen kann? Das habe ich mit meiner zweijährigen Tochter nun an etlichen Spieltagen erprobt. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: Die Regie zeigt eine Totale des Stadions, inklusive Rasen. Und auf unserem Familien-Fansofa wird nicht etwa die Aufstellung vorgelesen, sondern eine begeisterte Mädchenstimme ruft: „Hier: alles Gras. Und da: Gras. Nee, sind keine Blumen da. Nur überall Gras, Papa!“ Auf den Punkt gebrachte Zustandsbeschreibungen und Atmosphäre – das ist es, was der deutsche Fußballjournalismus ebenso braucht wie mehr Euphorie.
Wer bitte braucht die schnarchige Deskription eines Passspiels á la: „Boateng…….. …Lahm ……. …Fehlpass zu Reus…“, wenn er gute Unterhaltung haben kann? Was ist etwa mit Bildern vom Maskottchen des 1. FC Köln? Die meisten Ihrer Sportkommentatoren beachten die flauschigen Animateure ja kaum noch. Was für ein Fehler! Meine Tochter kreischt sekundenlang, wenn der Kölner Geißbock eingeblendet wird. „Daaaaa, guck mal: eine Ziege!!!“ Ausgelassene Freude auf dem Fansofa, die nicht enden mag. „Mama: eine Ziege! Beim Fußball!“ Irre.
Beim Kameraschwenk durch die Fankurve wird gerätselt: „Ist das da ein Junge? Oder ein Mädchen? Kann auch sein!“ Und nach dem Tor, wenn die Fans ausrasten: „Haha, alle hopsen! Juhuuuuu! Wir singen auch: Schaaalaa-laalaaaaa!“ Läuft die Partie hingegen schleppend, dümpelt die Begeisterungsfähigkeit meiner Tochter nicht wie die vieler Kommentatoren auf Halbzeitniveau herum. Nein. „Los, will jetzt wieder ein Tor sehen!“, ruft sie dann energisch. Welcher Ihrer Sportjournalisten ist schon derart engagiert bei der Sache? Wird gefoult, kommentiert sie kritisch: „Warum legen sich Männer hin?“ Und dann: „Wo ist denn der Schiri?“ Eine berechtigte Frage!
Bei dem unfassbaren Talent meiner Tochter mag ich mir gar nicht ausmalen, wie erst ihre Spieler-Interviews und Vorberichte werden! Sie quatscht wie ein reißender Fluss, ohne Punkt und Komma und meist schwer begeistert. Selbstverständlich beherrscht sie auch das mitfiebernde Emotionsvokabular, das eine gute Reporterin braucht: „huiuiuui“ und „ohneeeeeeee, Mensch!“ Wenn der Ball rollt, ist sie nicht zu bremsen. Sie fachsimpelt mit Papa. Sie gestikuliert wild. Sie springt auf. Sie seufzt.
Liebe Fernseh-Sportredaktionen: Lassen Sie sich diese einmalige Verjüngungskur des Fußballjournalismus nicht entgehen!
Ich freue mich, von Ihnen zu hören.
Ihre Ideengeberin
Julia
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