„Wenn du erst Mutter bist, ändert sich alles“ – den Satz habe ich während meiner Schwangerschaft oft gehört. Zu oft. Und oft belächelt. Vielleicht auch zu oft. Aber wer hätte denn gedacht, dass ich als Mutter umgehend gekrönt werden würde? Dass ich von meinem „Bunte“-und-„Gala“-Wissen als selbsternannte Adelsexpertin profitieren könnte? Und dass ich durchs Kind-Rauspressen gleich Managerin meiner eigenen kleinen Monarchie werden würde?! Ich bestimmt nicht.
Begonnen hat mein wirklich rasanter gesellschaftlicher Aufstieg mit einem ominösen Anruf meiner Großmutter. Und der soll – was ich da noch nicht weiß – nur der erste in einer ganzen Serie ähnlich ominöser Konfrontationen sein. Angefangen hat das Gespräch harmlos wie immer: Sie erzählt mir von ihrer an Likörchen reichen Rommee-Runde und vom letzten Operettenbesuch („Hach, wir haben Tränen gelacht! Trä-nen!“). Dann fragt sie diese Frage, die alles verändern soll. Alles.
Plötzlich Prinzessin
„Wie geht’s denn meiner kleinen Prinzessin heute?“ Ich schweige zunächst, weil ich glaube, dass sie mit einer rhetorischen Frage auf ihr Lieblingsgesprächsthema, ihre verzogene Perserkatze, abbiegen möchte, die mich gerade etwa so brennend interessiert wie die Schwangerschaft Charlène von Monacos. „Hallo? Bist du noch dran?“, empört sich meine Großmutter. „Ja, bin ich. Entschuldige. Was meinst du damit?“ – „Ich habe mich nach meiner kleinen Prinzessin erkundigt. Was macht sie denn so?“ – „Ähm, deiner Prinzessin…?!“ – „Ja, natürlich: meiner Urenkelin. Was glaubst du denn, wen ich sonst meine?“
Gute Frage. Ich bin einen Moment lang sprachlos. Plötzlich Prinzessin? Dann erkläre ich der schwerverliebt säuselnden Queen Mum am anderen Ende der Leitung, dass „ihrer Prinzessin“ momentan täglich eine widerlich stinkende Windelsprengung gelingt, wenn sie nicht gerade brüllend aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht oder mir ihre säuerlich riechenden Essensreste auf frisch gebügelte Blusen kotzt. Von damenhafter Eleganz also keine Spur. Oder sehe ich das zu pessimistisch? Es ist still am anderen Ende der Leitung. So still, dass ich sogar hören kann, wie ich sie gekränkt habe. Immerhin: Queen Mum ist seither vom Prinzessinnen-Trip geläutert – wenn auch leicht verkatert.
Doch es dauert nur einige Wochen im noch jungen Leben meiner wenig royalen Tochter Nora, bis der Postbote gleich säckeweise glitzernde Glückwunschkarten anschleppt, die die „kleine Prinzessin“ auf der Welt willkommen heißen. Ähm: wen? Die meinen doch nicht etwa….? Wirklich: Wer sagt denn eigentlich sowas? Wie kommen alle darauf, dass ein Mädchen eine Prinzessin ist? Bin ich etwa von zu wenig Mutterhormonen überschwemmt, die mir den Zusammenhang verdeutlichten müssten? Und woher, verdammt nochmal, wissen alle von meiner heimlichen Schwärmerei für Carl Philip von Schweden?
Der absolute Geschenke-Gau aber folgt noch: Eine überschwängliche Tante überreicht stolz das maßlos mit Spitze bestickte Babyshirt mit dem Aufdruck „Sag einfach Prinzessin zu mir“. Es klingt beinahe nach einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, die mich erschauern lässt. Und wandert nicht nur deshalb gleich samt Etikett in den Keller. Wer möchte sich denn ernsthaft eine Prinzessin auf der Erbse heranziehen und damit auch noch in Form blöder T-Shirt-Slogans kokettieren? Ich nicht! (Nicht mal mit Carl Philip.)
Und während ich mal wieder versuche, den neuen Teppichboden vor der Wickelkommode von ätzenden Kinderkot-Flecken zu befreien, fühle ich mich auch eher wie eine Zofe. Wenn Mutter ein Job für eine Königin sein soll, dann ist das immer noch unfertig eingerichtete Kinderzimmer wohl ein Märchenschloss oder was?! Das Leben auf dem Thron habe ich mir anders vorgestellt. Graziler. Feiner. Sauberer. Luxuriöser. Und Nora möchte ich – sollte sie je stubenrein werden – auch bloß nicht im goldenen Käfig halten. Sie soll im Matsch spielen, den kleinen Machos auf dem Schulhof Abseitsregeln erklären und vors Schienbein treten können, beim Skat gewinnen und lieber mit Hunden als mit Ponys über Wiesen schlendern. Wenn sie dann noch beim Judo eine gute Figur macht und mit ihrem Longboard die Rad fahrenden Jungs aus ihrer Klasse überholt, werde ich sie mit einem Auslandssemester in England belohnen. Und, wer weiß, vielleicht gibt ihr dort abends im Pub ja ausgerechnet Prinz George ein Ale aus. Dann hätte ich vielleicht doch nichts dagegen, zu ihr plötzlich Prinzessin zu sagen. Aber nur ganz vielleicht…